Mutter Erde, Frau Holle, Brigid, das sind nur ein paar Namen, hinter denen sie sich verbirgt.
Die große Göttin, die sich in der Mythologie oft in dreifacher Gestalt zeigt und schon seit langer, langer Zeit ein Sinnbild für das weibliche Prinzip, die Urkraft, für das Leben und dessen Kreislauf ist.
Deshalb tritt sie oft in der dreifachen Gestalt auf. Das Kind/oder die Jungfrau, die Mutter und die alte Weise.
Diesen drei Erscheinungsformen werden bestimmte Attribute, Aspekte der großen Göttin, zugesprochen. Und mit diesen Aspekten wiederum bringt man bestimmte Farben in Zusammenhang.
Wie so oft in der Volksmagie und in dem, was wir aus alten Märchen und Mythen lernen können, sind viele Botschaften in Symbolen und Bildern eingewoben, die es zu entschlüsseln gilt.
Leider ging viel altes Wissen aus unseren Breitengraden durch die damalige Christianisierung und schlussendlich durch die Hexenverfolgung verloren. So bleibt uns heute oft nur, zu vermuten, was sich hinter den alten Sagen, Märchen und Mythen verbergen könnte und welche tiefere Bedeutung deren Bilder für uns haben.
Das gilt auch im Hinblick auf die Farben und deren symbolhaften Charakter, die der großen Göttin zugeschrieben werden. Meine folgenden Ausführungen sind deshalb nur als Inspiration zu verstehen und erheben weder den Anspruch auf Korrektheit, noch auf Vollständigkeit. Einiges davon entstammt auch meiner eigenen Intuition und Interpretation.
Nichtsdestotrotz kann es sehr interessant und auch inspirierend für den Umgang mit der eigenen Spiritualität und Naturverbundenheit sein.
Aber was sind denn nun die Farben der Göttin?
Wie es sich vielleicht schon vermuten lässt, handelt es sich um drei Farben.
Weiß, Rot und Schwarz
Weiß wird dem jungen Mädchen bzw. der Jungfrau zugeordnet. Wir setzen die Farbe Weiß heute mit Reinheit, Sauberkeit und Unschuld gleich. Ob das früher auch schon so gesehen wurde, lässt sich schwer sagen. Auch das Licht ist im Grunde weiß und selbst, wenn man nicht in die Sonne sehen kann, so sind z. B. Lichtreflexionen auf Wasseroberflächen am ehesten mit Weiß zu deuten. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es also durchaus auch mit dem Licht und dessen Erscheinung im Jahresrad zu tun haben könnte. Denn wenn das Licht nach dem dunklen Winter mit seinen kurzen Tagen wieder zurückkehrt und langsam zunimmt, beginnt auch das Wachstum in der Natur wieder von Neuem. In dieser Zeit kann man nur erahnen, wie die Bäume bald Früchte tragen werden und das Gemüse auf den Feldern nach und nach bis zur Ernte heranreift.
Wie es auch bei einem Kind oder einer Jungfrau der Fall ist. Das ganze Potential für das kommende Leben und auch die Möglichkeit, Leben zu schenken, ist bereits zu erkennen. Doch zu diesem Zeitpunkt steht die Entwicklung und das Wachstum im Vordergrund.
Viele Erfahrungen wollen und müssen noch gemacht werden. An diesem Punkt schwingt dann vielleicht schon etwas die Unschuld mit, die wir auch heute noch mit der Farbe Weiß in Verbindung bringen.
Wenn aus dem Kind oder der Jungfrau schließlich eine Frau geworden ist, ändert sich so einiges in ihrem Leben. Diese Veränderungen und neuen Attribute, die ihr nun zugesprochen werden, symbolisiert die Farbe Rot.
Auch hier kann man natürlich nur vermuten, aber aus meiner Sicht klingt es durchaus stimmig, das Blut mit dieser Farbe in Verbindung zu bringen.
Und zwar auf ganz vielfältige Weise.
Beginnend mit der ersten Menstruation, zeichnet sich ab, dass ein junges Mädchen nun die körperliche Reife entwickelt hat, um ebenfalls neues Leben hervorbringen zu können. Hier begegnet uns das Blut also bereits zum ersten Mal. Findet sie dann einen Partner, mit dem sie dieses neue Leben erschaffen will, wird zumeist ein Band zwischen den beiden geknüpft. Der Begriff “Blutsbande” umschreibt sehr treffend, wie Familienmitglieder miteinander verbunden sind. Über ihr Blut, das durch deren Vorfahren an sie weitergegeben wurde. Und schließlich begegnet uns das Blut auch wieder bei der Geburt des neuen Lebens. Was das stärkste Symbol der Frau ist. Sie ist dazu im Stande, neues Leben in die Welt zu bringen.
Weder das junge Mädchen, noch die alte Weise können das.
Und so wechselt die Göttin ein drittes Mal ihr Gewand und zeigt sich uns im schwarzen Gewand der alten Weisen.
Dort wo das Licht weniger wird, hält Dunkelheit nach und nach Einzug. Und schließlich, wenn es vollkommen erlischt, wird alles um uns herum schwarz. Die weise alte bereitet uns auf diese Veränderung vor. Wenn wir diesen Lauf hier auf der Erde beenden und unsere Seele zurückkehrt in die Anderswelt. Früher galten Höhlen oder auch Seen z. B. als Tore zu dieser Unterwelt, in der die Seelen verweilten, um schließlich von der großen Göttin wieder zurück gebracht zu werden. Die alte Weise steht aber auch für die Weisheit, die im Verlauf des Lebens entstanden ist. Sie ist nicht nur die Hüterin des Seelenfadens, den sie schlussendlich durchtrennt, sondern auch eine gute Ratgeberin in dunklen Stunden.
Und so schließt sich der Kreislauf des Lebens, beschrieben von diesen drei Farben.
Sie wurden aber nicht nur der Göttin in menschlicher Gestalt zugeschrieben, sondern auch ihren Boten aus der Tierwelt. Denn ihr wurden Tiere, die diese drei Farben trugen, also solche Boten zugeschrieben.
Zu ihnen zählen z. B. der Schwan, der Kranich oder der Storch. Alle drei galten als Seelenvögel, die den Kontakt zur Anderswelt herstellten und auch die Seelen der Kinder in die Häuser und Körper der Mütter brachten. Doch nicht nur das. Man verband sie auch mit den Gaben der Hellsicht oder allgemein mit Zauberkraft. In vielen Märchen begegnen sie uns und stehen zumeist mit einem gewirkten Zauber in Verbindung.
Aber auch der Marienkäfer, mit seinen roten Flügeln, den weißen Tupfen auf dem schwarzen Köpfchen ist einer ihrer Boten. Ihm wurden früher oft Krankheiten angehängt, damit er sie in die Anderswelt, in das Reich der Holle, bringen solle. Das tat man, indem man verschiedene Verse aussprach, die besagten, dass der kleine Käfer die Krankheit, die einen selbst oder auch jemand anderen, gerade plagten, fortnehmen und der großen Göttin bringen solle. Sie würde diese dann in ihrem dunklen Reich unter der Erde aufnehmen und somit neutralisieren. Man wünschte sich aber auch von ihm, dass er die Seelen der Kinder bringen solle.
Das wohl bekannteste Märchen, in dem uns die Farben der Göttin begegnen, ist Schneewittchen, eigentlich Schneeweißchen.
Zu Beginn des Märchens wird eine Königin beschrieben, die im Winter am Fenster sitzt und näht. Allein hier ist es schon ganz spannend zu sehen, dass sie im Grunde einen Lebensfaden in Händen hält. Der Fensterrahmen ist aus dunklem Ebenholz gearbeitet. Und während sie näht und dabei dem Tanz der Schneeflocken zusieht, sticht sie sich in den Finger. Drei Tropfen ihres Blutes fallen in den frisch gefallenen Schnee auf der Fensterbank. Und als sie diese betrachtet, denkt sie bei sich: “Ach hätte ich doch ein Kind. So weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz.”
Drei Tropfen, hier zeichnet sich die dreifache Göttin also auch bereits ab. Aber nicht nur darin. Es sind auch drei Attribute, die sich die Königin für ihr Kind wünscht, welche sie wiederum mit drei Farben und drei Gegenständen verbindet.
Schließlich ist die Königin guter Hoffnung und bringt alsbald ein Mädchen zur Welt, welches sie Schneewittchen nennt.
Denn ihre Haut ist so weiß wie Schnee, ihre Lippen so rot wie Blut und ihr Haar so schwarz wie Ebenholz.
An dieser Stelle wieder ein interessantes Detail aus meiner Sicht. Lippen so rot wie Blut. Natürlich haben unsere Lippen einen etwas anderen Farbton als unsere Haut. Aber es ist nun einmal so, dass sie, mit zunehmender Durchblutung immer röter werden. Was auch ein Symbol für Fruchtbarkeit bzw. die körperliche Reife eines Menschen sein kann. Die Reihenfolge ist in jeder Erzählung von Schneewitchen gleich. Die roten Lippen werden immer in der Mitte genannt. Sind also genau an der Stelle platziert, an der sich auch im Lebensrad die Fruchtbarkeit zeigt.
In diesem Märchen zeigt sich die Göttin recht deutlich in ihren drei Farben.
Doch es gibt noch viele andere Märchen, Sagen und Mythen, in denen sie uns begegnen.
Vielleicht fällt Euch ja spontan sogar gerade eines davon ein.
Durch sie können wir lernen, oder weiter üben, in Symbolen zu denken und dadurch altes Wissen für uns neu zu interpretieren und wieder zu entdecken.
Dabei wünsche ich Euch ganz viel Freude und großartige, neue Erkenntnisse, die Euch hoffentlich im Alltag und auch in ganz besonderen Situationen bereichern und unterstützen können.
Alles Liebe,
Eure Neuzeitdruidin
PS: Es gibt von Wolf-Dieter Storl ein ganz wundervolles Buch zu diesem Thema: Die alte Göttin und ihre Pflanzen ISBN: 9783424630800

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