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Hochsensible sind keine Opfer

 

 

Wer selbst hochsensibel ist, der kennt es nur zu gut. Der weiß, wie sehr sich dieser Umstand auf den Alltag auswirken kann.

Kann.

Für Betroffene vielleicht erstmal kaum vorstellbar, aber ja. Es muss sich nicht so deutlich auswirken.

Und demzufolge muss es einen auch nicht einschränken, bzw. die Betroffenen glauben lassen, sie wären dadurch eingeschränkt.

Denn:

Hochsensible sind keine Opfer

 

Auch wenn zumindest unterschwellig noch gerne vermittelt wird, dass sie es wären.

„Sie haben es in der heutigen Zeit nicht leicht.“

„Es wird ihnen einfach sehr schnell alles zu viel.“

Und viele ähnliche Aussagen lassen den Eindruck entstehen, Hochsensible wären die Schwachen, die von den anderen Rücksicht und Schutz zu erwarten hätten.

 

Ich selbst bin hochsensibel. Und das nicht zu knapp.

Deshalb weiß ich, dass es durchaus im Alltag, vor allem im Berufsleben, zu Situationen kommen kann, die einen innerlich an den Rand des Wahnsinns oder der Verzweiflung treiben können, während es alle anderen im Raum gar nicht zu stören scheint, dass es so laut ist, so abgestandene Luft vorhanden ist, so hell oder so dunkel ist, schlechte Stimmung herrscht usw.

 

Jetzt gibt es natürlich aber erst einmal zwei Hürden zu nehmen.

Die erste: Man muss überhaupt erst einmal erkennen, dass man hochsensibel ist.

Dieser Schritt ist bedeutend für die eigene Lebensqualität.

Denn: Wenn man erst erkannt hat, dass man nicht falsch oder schlechter als die anderen ist, sondern einfach sehr feine Sinne besitzt, ergibt sich augenblicklich die Möglichkeit, das Potential, welches in diesem Umstand liegt, zu erkennen.

Soweit so gut. Das ist der erste und deshalb auch sicher der wichtigste Schritt, um sein Leben genießen und leben zu können.

 

Genau an dieser Stelle setzt aber oft ein weiterer Schutzmechanismus ein:

Die Opferrolle.

Denn: Hat man erstmal erkannt, dass man viel leichter zu verletzen ist als andere, scheint oft die logische Konsequenz darin zu bestehen, sich vor den anderen und den vielen Einflüssen schützen zu müssen.

Für den Moment ein durchaus nachvollziehbarer Ansatz, der auch für´s Erste Linderung bringt.

Denn wer sich nun zu schützen beginnt, der wird natürlich Reize minimieren und dementsprechend weniger an seine inneren Grenzen gebracht werden.

 

Aber so wie ein Muskel immer schwächer wird, wenn man ihn nicht trainiert/nicht benutzt, so wirkt es sich auch auf die Verletzlichkeit aus, wenn man sich zu sehr abschottet.

Wer viel mit den Händen arbeitet, dessen Hände werden eine Hornhaut entwickeln. Genau an den Stellen, die besonders beansprucht werden.

Denn so ist unser Körper aufgebaut. Wenn es eine Schwachstelle oder eine besonders beanspruchte Stelle gibt, dann versucht er sie auszugleichen bzw. sie zu verstärken.

An dieser Stelle möchte ich nochmals betonen, dass Hochsensible nicht im Geringsten schwach sind.

Ihre Stärken befinden sich nur an Stellen, die man bisher nicht betrachtet hat.

 

Während ich heute mit dem Auto unterwegs war, musste ich darüber nachdenken, wie seltsam es doch eigentlich ist, dass ich heute als freie Rednerin arbeite und mich vor 150 Menschen hinstelle um eine freie Hochzeitszeremonie abzuhalten, während ich als Kind kaum den Mund aufgebracht habe.

Wenn ich im Schulunterricht vom Lehrer aufgerufen wurde, haben sich immer alle Klassenkameraden beschwert, ich solle doch bitte lauter reden, denn man würde mich nicht verstehen.

Ich fragte mich, warum das nur so war. Mein Inneres antwortete mit einem Lächeln: „Naja, weil du eben hochsensibel bist.“

Da ging mir ein Licht auf, wie man so schön sagt.

Gleichzeit überkam mich eine Flut von Erinnerungen und damit verbundene Gefühle.

Wie sehr ich damals am liebsten vor allem davongelaufen wäre, wie oft ich eigentlich an meine Grenzen gehen musste und gleichzeitig das Wissen, dass das der Grund dafür ist, warum ich heute damit besser umgehen kann, wenn mich eine Gefühlswoge fast aus der Bahn zu werfen droht.

In diesem Moment war der Wunsch, darüber sprechen und anderen Mut machen zu wollen unsagbar groß. Ich wollte unbedingt darüber einen Blogeintrag und am besten auch ein Video machen.

 

Am Blogeintrag schreibe ich in diesem Moment und das Video wird hoffentlich bald folgen ;-)

 

Denn was mir auf der Seele brennt ist das Wissen, dass man kein Opfer und nicht schwach sein muss, nur weil man hochsensibel ist.

Nein.

Es macht einen sogar unglaublich stark, wenn man weiß, wie man seine Gabe optimal nutzen kann.

Es ermöglicht Einsicht in komplexe soziale und emotionale Strukturen, die einen dazu befähigen kann, genau die richtigen Worte in genau dem richtigen Moment zu finden.

Und welche Möglichkeiten sich aus dieser Gabe ergeben, kann gar nicht in Worte gefasst werden.

Einem Hochsensiblen kann die Welt zu Füßen liegen, wenn er weiß, wer er selbst ist und worauf er bei sich selbst achten muss.

Denn keiner ist auf die gleiche Weise gestrickt.

Und hier wird es auch schon wieder schwierig.

Was der eine gut verkraftet, macht einem anderen das Leben zur Hölle. Auch einem anderen Hochsensiblen. Denn nicht jeder reagiert auf jeden Reiz gleich stark.

 

Es braucht viel Kraft, Willen und Ausdauer um herauszufinden, in welchen Bereichen tatsächlich Schutz oder Vorsicht angebracht ist und in welchen man durchaus großes Potential entfalten kann.

Aber die Mühe lohnt sich.

Ich selbst habe viele Jahre immer wieder daran gearbeitet, über meinen eigenen Schatten zu springen und herauszufinden, was mir gut tut und was nicht.

Die eigene Balance zu finden, ist eine Lebensaufgabe.

Aber wie so oft ist auch hier vor allem der Anfang das Schwerste.

Wenn man erst einmal damit begonnen hat, das Beste aus sich und seinen Talenten machen zu wollen, dann empfindet man sich auch nicht mehr als Opfer, sondern man will wissen, wozu man noch fähig ist, wie weit man noch gehen kann.

 

Wer sich dabei Unterstützung holen möchte, der ist gut damit beraten, sich einen Coach (z. B. auch mich) oder einen Therapeuten zu suchen, der Starthilfe leisten kann.

Den Weg gehen muss zum Schluss jeder alleine.

 

Aber es lohnt sich!

Denn keiner von uns ist ein Opfer. Und keiner muss es sein.

Auch nicht, wenn man hochsensibel ist.

Hier gelten zwar etwas andere Regeln, aber Hochsensible können genauso stark sein wie andere Erfolgsmenschen.

 

Wenn Du zu den hochsensiblen Menschen gehörst, dann wünsche ich Dir von Herzen, dass Du Dein ganzes Potential entfalten und Dein Leben in vollen Zügen genießen kannst.

Und wenn Du jemand bist, der eng mit einem hochsensiblen Menschen verbunden ist, dann würde ich mich freuen, wenn Du dieser Person Mut machst, falls sie sich noch in ihrer Zurückgezogenheit versteckt. Denn dort ist er/sie wahrscheinlich nicht wirklich glücklich.

 

Alles Liebe,

Eure Neuzeitdruidin

 

Nachtrag:

Hier geht´s zum Video

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